LAWRENCE ALMA TADEMA

Andrea Schütze München, Andrea Schuetze, Lupa Romana, Amalaswintha, Historikerin, Althistorikerin, Mediävistin, Kunsthistorikerin, Rechtshistorikerin, Archäologin, Domitian Krieg und mediale Krieger, Medienkrieg, Dissertation, Promotion, Alte Geschichte, LMU, Ludwig-Maximilians Universität München, Rechtsgeschichte, Historienmalerei.
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DIE ERZIEHUNG DER SÖHNE CHLODWIGS


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Lawrence Alma Tadema, Die Erziehung der Söhne Chlodwigs, 1861,
Öl auf Leinwand, 127 x 176.8 cm,
Privatbesitz.


Das Thema

Alma-Tadema spielt auf eine Beschreibung in der Historia Francorum (III,6) des Gregor v. Tours an:
Danach soll Chlodwigs Ehefrau, die burgundische Prinzessin Chlotilde, ihre Söhne angestachelt haben, den vom Burgunderkönig Gundobald an ihren Eltern verübten Mord zu rächen. Die Saat ging allerdings auch im eigenen Hause auf, denn ihre Söhne ermordeten später ihre eigenen Enkelkinder. Auch hierzu hat Lawrence Alma-Tadema ein Gemälde geschaffen.
Die von Gregor v. Tours beschriebene Szenerie betrifft die erwachsenen Söhne Chlodwigs. Im Gemälde des Lawrence Alma-Tadema hingegen werden jüngere Kinder dargestellt.

Komposition und eigene Deutung

Das Bild lebt aus Widersprüchen und Andeutungen.
Im Zentrum scheint zunächst der ältere Sohn Chlotildes zu stehen, der für das Zielen mit seiner Francisca sich nach hinten neigend zugleich der kriegerischen Männerwelt zuneigt. Nur er und die hölzerne Wurfscheibe mit drei aufgemalten Kreisen bilden den Mittelpunkt. Alle anderen Figuren geraten in den Hintergrund.
Dadurch wird zunächst die Spannung verstärkt, die sich beim umstehenden Publikum abzeichnet. Alle Blicke sind auf den jungen Krieger gerichtet. Im Kreis der angespannt Wartenden sticht v.a. der Soldat im linken Bildfeld hervor, der als einziger eine dem Schützen vergleichbare Beinhaltung einnimmt und sogar den Kopf in seine Sichtposition herabneigt.
Im Kontrast aus Dynamik und Statik, Hell und Dunkel, Jünger und Älter, steht dazu der dunkel gekleidete jüngere Bruder, der mit parallel gesetzten Beinen auf seine Wurfchance wartet.

Die Darstellung weist eine deutliche und klare Komposition auf:
Im linken Bildfeld finden sich die Krieger , im mittleren Bildfeld im Hintergrund die Mutter Chlotilde mit jüngeren Kindern/Geschwistern und davor der jüngere Bruder. Die rechte Bildhälfte wird im Hintergrund durch die Gruppe der Geistlichen (Mönche/Bischof) bestimmt, während der Vordergrund durch die Wurfscheibe bestimmt wird.
Der junge Schütze - aber auch sein kleinerer Bruder, wenn auch noch fernstehender - gehören bereits nicht mehr der Welt der Frauen und Geistlichen, sondern der Welt der Krieger an. Dies zeigt sich neben der bereits angesprochenen Neigungshaltung des jungen Schützen und die ihm v.a. durch den linken Krieger gezollte Aufmerksamkeit auch sehr deutlich an der Komposition der Architektur: Die einzige frontale Säule im Hintergrund sticht durch ihrer helle Marmorfarbe hervor und teilt das Bild nahezu mittig in die Welt der Frauen und Geistlichen und jene des Krieges. Zusätzlich geschieden werden sie durch einen Treppenabsatz, der die Krieger, die jungen Schützen und die Wurfscheibe rahmt.
Zusätzlich trennen die Attribute, die in den Händen der betreffenden Personen liegen: Die Krieger zeigen Schild, Seil zum Binden, Speer und Lanze, sowie die Francisca. Die Zivilisten hingegen halten Spinngarn, Bücher und Buchrollen, sowie Kräuter in Händen.
Kontraste schaffen aber auch die strenge Architektur einerseits und die frei, wildwuchernde Natur andererseits, die im Hintergrund und oberhalb des Daches hereinscheinen. Das helle Sonnenlicht - ein Zeichen für Klarheit und Aufklärung - steht im Kontrast zur Thematik der Völkerwanderungszeit bzw. des Frühen Mittelalters, einer Zeit für die wie kaum sonst das Vorurteil des Dunklen Zeitalters galt.

Es sind unterschiedliche Welten, die hier aufeinandertreffen. In Vordergrund rückt eine Welt des Krieges, während das Christentum, Sinnbild von Vergebung und Nächstenliebe, symbolisiert durch das Kreuz hinter der Königin, deutlich zu verblassen scheint, ja kaum mehr erkennbar ist. Äußerlich scheint sie die liebende Mutter zu sein, die ihr Kind in Händen hält, doch der Königsmantel mit den römischen Adlern, als Symbol der Macht und das verblasste Kreuz im Hintergrund künden von dem, was Gregor v. Tours beschreibt und bei Alma-Tadema bereits anklingt.

Lawrence Alma-Tadema stellt nicht nur eine historisch überlieferte Szene dar, er interpretiert sie, indem er sie um eine deutliche Zeitspanne vorverlegt und damit -fern dem ersten Eindruck von einem Familienidyll - eine unbehagliche Stimmung durch eine über allen thronende Mutter im Hintergrund erzeugt, die - einer Rachegöttin ähnlich - schon während dieser frühen Kindheitsphase klar lenkend und bestimmend ihre Rachepläne verfolgt. Eine unterschwellige und ungemütliche Auseinandersetzung mit einer Herrscherin, die später als Heilige Verehrung fand.

Einordnung in das Werk Alma-Tademas

Das Gemälde gehört in die frühere künstlerische Schaffensperiode von Alma-Tadema. Zu diesem Zeitpunkt war Alma-Tadema noch Schüler und Assistent von Henri Ley. Lawrence Alma-Tadema vollendete Die Erziehung der Söhne Chlodwigs 1861. Noch im gleichen Jahr entstand eine großformatige Kreidezeichnung, nachdem bereits 1859 eine kleinere Kohlezeichnung mit Aquarelltechnik vorausgegangen war; und noch 1868 entstand ein Ölgemälde, das dieser Komposition folgte.

Reaktionen und ihre Erklärung als kluge Karriereposition

Die Reaktionen auf dieses Werk waren unterschiedlich: Henri Ley kritisierte das Bild, verglich die Marmordarstellung mit Käse.
Anders hingegen gestalteten sich die übrigen Kritikerstimmen als das Gemälde auf dem Künstlerkongress in Antwerpen ausgestellt worden war. Die Gesellschaft zur Förderung der Schönen Künste in Antwerpen erwarb das Bild, das schließlich in einer Lotterie von König Leopold v. Belgien gewonnen wurde.

Die Positive Resonanz auf diese Darstellung begründet sich neben der künstlerischen Qualität sicherlich auch aus der von Alma-Tadema gewählten Thematik. Er hatte eine Darstellung aus dem Merowingischen Themenkreis gewählt. Dazu muss gesagt werden, dass Chlodwig, der zwar nicht der erste, aber mächtigste aller Merowinger war, seit dem Mittelalter hohe Verehrung genoss. Der zeitnahe Gregor v. Tours hatte Chlodwig in seiner Historia Francorum deutlich relativierter dargestellt (Codex) , indem er es nicht unterlässt auch die unglaubliche Grausamkeit und Härte dieses Herrschers zu beschreiben. Mit zeitlichem Abstand allerdings gewann Chlodwig in der historischen Erinnerung.

Chlodwigs aggressive Politik brachte ihn in Konkurrenz zu den gotischen Herrschern, u.a. auch Theodoerich. Der Merowinger schuf eine stabile Machtgrundlage und damit die Basis für die späteren karolinigschen Herrscher. Er war der erste gesalbte König und bekannte sich als erster germanischer Herrscher - in Abkehr vom Arianismus - zum katholischen Christentum, eine historisch entscheidende Wende. So wundert es nicht, dass er seit dem Mittelalter Heiligenverehrung genoss und auch während des 19. Jahrhunderts und dessen Mittelalter-Renaissance erneut an Bedeutung gewann. Dieses Mal allerdings verstärkt als nationaler Stammvater der Franzosen, und selbst die Deutschen konnte ihm etwas Nationales abgewinnen.
Man darf diese Themenwahl daher nicht nur als Teil einer in den Tagen des jungen Alma-Tadema vorherrschenden Interessenlage bewerten, sondern wohl auch als klug gewählte Positionierung für einen aufstrebenden jungen Künstler im Kampf um Aufmerksamkeit. Die erzielte Aufmerksamkeit dürfte ihn darin bestätigt haben, denn weitere Werke aus diesem frühmittalterlichen Themenkreis folgten.